mYindset: Eine Artikelreihe zu Performance im E-Sport
Hallo zusammen und willkommen zu einer Reihe von Artikeln, geschrieben und publiziert von unserem mYindset-Team zu einer Vielzahl unterschiedlicher Themen, die sich um Leistung im E-Sport drehen. Während den nächsten Monaten werden wir in Inhalte wie Mentaltraining, Schlaf, Ernährung und vieles mehr eintauchen und werden sehen, wie diese Faktoren unser Spiel beeinflussen können. Wir werden uns ebenfalls damit beschäftigen, wie sich diese Faktoren verbessern und optimiern lassen. So wirst du zum besten E-Sportler, der du sein kannst.
Der heutige Artikel ist Teil einer Einführung ins Mentalcoaching und soll einen Überblick über eine der häufigsten Mentaltechniken bieten. Dadurch wird uns erlaubt, die verschiedenen Arten/Wege, auf welche Sportpsychologie und Mentalcoaching unser Denken vor, während und nach dem Spiel beeinflusst, kennenzulernen. Die Struktur der vorgestellten Methoden wird immer dieselbe sein. Zuerst werden wir uns den Inhalt der Methode näher betrachten. Dann beschäftigen wir uns mit der vorhandenen Evidenz, welche beweisen soll, dass die Methode funktioniert. Zu guter Letzt sehen wir uns Beispiele an, wie die Methode in einem E-Sport Setting verwendet werden kann.
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Sportpsychologie und Mentalcoaching
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Bevor wir uns auf unsere gemeinsame Reise begeben, ist es wichtig, zwei grundlegende Begriffe zu definieren: Sportpsychologie und Mentalcoaching. Macht euch keine Sorgen beim Durchlesen der Definitionen, nach dem Auflisten der Definitionen werden wir versuchen, die wissenschaftliche Sprache aufzuschlüsseln, um herauszufinden, was sie denn genau zu bedeuten hat.
In der Wissenschaft wird Sportpsychologie definiert als die Beschäftigung mit Verhalten und Erfahrungen im Kontext des Sportes. Die Sportpsychologie zielt darauf ab, diese Verhaltensweisen zu beschreiben, zu erklären, vorherzusagen und zu beeinflussen. Ebenso wird dieses gewonnene Wissen in der Praxis angewendet (Alfermann & Stoll, 2016). Mentalcoaching hingegen, ist das Anwenden von Methoden zur Steigerung der kognitiven Fertigkeiten eines Individuums in Bezug auf dessen Verhaltensweisen. (M.S, 2013). Wir sind uns der Komplexität dieser Definitionen bewusst, also fassen wir sie in zwei wichtigen Informations-Häppchen zusammen. Erstens, die Sportpsychologie umfasst alles was sich um den Kopf im Sport dreht. Zweitens, Mentalcoaching im Sport ist ein kleiner Teil dieses grossen Feldes, welcher sich mit dem Anwenden von verschiedenen Methoden zur Steigerung der Leistung beschäftigt. Das Ziel dieser Artikelreihe über Mentalcoaching ist es, einen Blick auf genau diese Methoden, die im Mentalcoaching anzutreffen sind, zu werfen.
Visualisierung
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Was ist das?
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Visualisierung ist der Vorgang, sich im Kopf etwas vorzustellen. Die Idee dieser Methode ist es, sich ein Setting, eine Strategie, ein Ziel, einfach gesagt, Irgendetwas, zu verbildlichen. Dinge können aus der Ich-Perspektive, in der dritten Person oder mit einem Fokus auf kinästhetische Empfindungen visualisiert werden. Das Visualisieren kann verwendet werden, um ein Ablauf von Handlungen besser in Erinnerung zu behalten, eine Fertigkeit zu verbessern oder um Motivation zu steigern.
Ein Beispiel dieser Methode, welches einen Verwendungszweck illustriert, wären Skifahrer. Vor einem Rennen nehmen sich Skifahrer in der Regel einen Moment Zeit für sich, um die Augen zu schliessen und vor dem inneren Auge die Rennstrecke abzufahren. Indem sie dies tun, visualisieren sie das kommende Rennen und kennen den Ablauf schon besser, bevor sie überhaupt gestartet sind.
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Wieso sollte man dies tun?
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Eine Vielzahl von Studien haben Beweise geliefert, dass Visualisierung zu ähnlicher Muskelaktivierung führen kann, wie dies das Anspannen des Muskels tun würde (Mayer & Hermann, 2009). Dazu geben Mayer & Hermann auch einen Überblick über verschiedene periphere Effekte von Visualisierung, wie z.B. einen erhöhten Puls beim Vorstellen von physischer Aktivität. Dies bedeutet, dass der Körper eine ähnliche Anspannung erfährt, wenn eine Aktivität visualisiert wird, wie wenn der Muskel kontrahiert würde. Weiter haben Yue & Cole (1992) gefunden, dass die Kraft eines Muskels über einen Zeitraum von vier Wochen steigen kann, nur durch das Visualisieren einer Kraftübung, ganz ohne Anheben eines Gewichtes. Zusammengefasst führt Visualisierung also zu einer ähnlichen Aktivität im Körper wie das tatsächliche Ausführen der Aktivität. Dies ist nützlich, da es in bestimmten Situationen oftmals physisch nicht möglich ist, eine Handlung zu trainieren. Mögliche Gründe dafür sind Verletzungen oder wenn das Szenario selten stattfindet wie z.B. ein wichtiges Turnier.
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E-Sport
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Wir können dieses Wissen auf spezifische Situationen, die im E-Sport anzutreffen sind, anwenden. Auf einer Bühne zu spielen oder ein Spiel zu streamen mit einer grossen Anzahl von Zuschauern kann zu Stress oder Nervosität führen. Weil ein solches Szenario selten vorkommt, ist es auch schwierig sich durch gemachte Erfahrungen zu verbessern. Weiter kommt hinzu, dass es kaum möglich ist, dies zu trainieren, da man nicht ruckzuck 20‘000 Leute organisieren kann, die im Training da sind um einen nervös zu machen. Hier kommt die Visualisierung zum Zug. Dadurch, dass man die Bühne, die Zuschauer, die Geräusche, oder sogar ein gut gespieltes Game visualisiert, ist es möglich, ein ähnliches Szenario zu simulieren. Dies erlaubt einem (positive) Erfahrungen zu sammeln beim Spielen vor Zuschauern und dabei die eigene Nervosität zu eliminieren. Je öfter man sich dieses Szenario vorstellt, desto mehr gewöhnt man sich daran und desto weniger wird man nervös.
Visualisierungsübung
Nun folgt eine kleine Anleitung, wie man von zu Hause aus eine Visualisierungsübung durchführen kann:
Setze dich hin und führe jedes kleine Detail des Szenarios, welches dich nervös macht, vor Augen und notier dir diese. Orientiert man sich am oben genannten Beispiel, kann dieses Szenario einzelne Personen in einer Menge, den eigenen Stuhl, den Tisch, den Bildschirm enthalten, sowie alles was man hört, riecht, fühlt, oder sogar schmecken kann. All diese Puzzlestücke zu kennen kann möglicherweise schwierig sein, da man nicht immer alles im Vornherein wissen kann. Falls ein Teil des Szenarios nicht klar ist, wird er zu einem flexibleren Part der Visualisierung, welches sich bei jeder Visualisierung ändern kann. So wird man dann in der eigentlichen Situation nicht von neuen Infos überrascht. Generell lässt sich jedoch sagen, je mehr Informationen man hat, desto besser.
Sobald du alles aufgeschrieben hast, suchst du einen ruhigen Ort, schliesst die Augen und versuchst, dir alles vorzustellen, was du aufgeschrieben hast. Je öfter du dies übst, desto waschechter und realer sollte sich die Situation für dich anfühlen. Es kann auch sein, dass du nach dem ersten Mal bemerkst, dass auf den aufgeschriebenen Notizen Dinge fehlen, ohne die sich die Vorstellung nicht vollkommen real anfühlt. Nimm dir Zeit beim Herausfinden was fehlen könnte und füge diese zur Liste hinzu. Durch diese Handlung verbessert sich deine Visualisierung.
Tipp: Versuche in der Visualisierung einen Erfolgsmoment einzubauen. So kombinierst du das Szenario mit positiven Gefühlen, was dir weiter gegen Nervosität helfen kann. Ein solcher Erfolgsmoment könnte das Retten eines wichtigen Spiels oder ein gutes Play sein.
Literaturverzeichnis:
Alfermann, D. D., & Stoll, D. O. (2016). Sportpsychologie: Ein Lehrbuch in 12 Lektionen. Meyer & Meyer Verlag.
Mayer, J., & Hermann, H.-D. (2009). Mentales training. Springer.
M.S, N., Pam. (2013, April 7). What is MENTAL COACHING? Definition of MENTAL COACHING (Psychology Dictionary). Psychology Dictionary. https://psychologydictionary.org/mental-coaching/
Yue, G., & Cole, K. J. (1992). Strength increases from the motor program: Comparison of training with maximal voluntary and imagined muscle contractions. Journal of Neurophysiology, 67(5), 1114–1123. https://doi.org/10.1152/jn.1992.67.5.1114