Was, wenn dir gesagt werden würde, dass es eine Behandlung gibt, die dich in jeder Fähigkeit oder Aktivität besser machen könnte? Was, wenn dir gesagt werden würde, dass diese Behandlung jeder Person zugänglich ist, völlig ohne Kosten? Diese Behandlung nennt sich adäquater Schlaf und du gestehst dir den höchstwahrscheinlich nicht zu. Jede Nacht hast du die Möglichkeit zu einem gesünderen, fitteren und glücklicheren Selbst beizutragen (Dement und Vaughan, 1999).
Und trotzdem entscheiden sich die meisten Jugendlich dazu, ihren Schlaf zu vernachlässigen, um mehr Zeit mit ihren Freunden zu verbringen, um Hausaufgaben fertig zu machen oder um „nur noch eine Folge“ ihrer Lieblingsserie zu schauen (National Sleep Foundation, 2006). Für dich ist es zwar wahrscheinlich eher „nur noch ein Game SoloQ/Ranked“, aber das zählt trotzdem. Dieser Artikel erzählt dir wieso man sich, vor allem als Athlet, seine Prioritäten nochmals überlegen sollte und wie man am besten eine langfristige Verhaltensänderung erreichen kann.
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Forschung
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Laut der World Health Organization ist inadäquater Schlaf zu einer Epidemie in den industrialisierten Nationen geworden. Eine Studie hat gezeigt dass nur etwa 20% der jugendlichen Amerikaner eine ausreichende Menge von 8 bis 9 Stunden Schlaf pro Nacht kriegen (National Sleep Foundation, 2009). Athleten tun sich besonders schwer damit, hohe Schlafstandards zu halten, obwohl sie eine Gruppe sind, die extrem davon profitieren könnte (Simpson et al., 2017).
Abgesehen davon, dass man länger und gesünder lebt, hat sich gezeigt, dass eine ausreichende Menge Schlaf jede Nacht zu sofortigen athletischen Vorteilen in traditionellen Sportarten führt. Zum Beispiel hat eine Studie mit Universitätsbasketballspielern gezeigt, dass sich verschiedenste Performanceindikatoren wie Schnelligkeit und Treffgenauigkeit signifikant verbesserten nach einer längeren Zeit mit ausreichendem Schlaf. (Mah et al., 2011).
Bei Elitefussballspielern wurde festgestellt, dass zu wenig Schlaf nach einem Spiel zu erhöhten Schmerzen im Körper führte und zu verstärkten Entzündungsreaktionen. Dies kommt entweder von der grösseren Menge an Verletzungen durch Sport oder von einer beeinträchtigten Regeneration als Konsequenz von unzureichendem Schlaf (Nédélec et al., 2015).
Allein diese zwei Studien demonstrieren, dass Schlaf inkrementell ist, um einen Athleten für Höchstleistungen vorzubereiten, aber auch um optimale Regeneration danach zu gewährleisten.
In einer brandneuen Studie über Schlaf bei professionellen E-Sport Athleten, haben Lee et al. (2021) herausgefunden, dass die Athleten eine durchschnittliche Schlafzeit von 6.8 Stunden haben, was deutlich kürzer ist als die empfohlenen 6 bis 8 Stunden Schlaf pro Nacht. Dazu kommt, dass circa die Hälfte der Teilnehmer eine Latenzzeit beim Einschlafen haben, die nahezu an klinische Schlaflosigkeit grenzt, und dass die Teilnehmer exzessive Schläfrigkeit während des Tages erfuhren (Lee et al., 2021). Insgesamt zeigt diese Studie auf, dass es verschiedene Gründe gibt, die eine Schlafintervention für E-Sport Athleten nötig machen.
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Wie änderst du dein Verhalten?
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Trotzdem vernachlässigen eine grosse Menge (E-Sports) Athleten ihren Schlaf, obwohl sie sich oftmals den Konsequenzen bewusst sind. Wieso ist denn dieses Wissen nicht genug, um eine Verhaltensänderung herbei zu führen? Wie vorgeschlagen vom Health Action Process Approach (HAPA), reicht einfaches Wissen nicht aus, um Verhaltensänderungen herbeizuführen (Schwarzer, 2016).
Wie in Figur 1 unten beschrieben, eine anhaltende Verhaltensänderung wird nur dann eintreten, wenn man die Motivation und Intention hat, diese Änderung zu bewirken. Auch muss die neue angestrebte Verhaltensweise gut geplant sein und diese neue Änderung muss nicht zuletzt beibehalten werden.
Eine Intention für eine Verhaltensänderung ist konstruiert durch die Ergebnis-Erwartungen, die entweder negativ (falls ich weiter unzureichend schlafe, werde ich nicht gut performen können) oder positiv (falls ich mehr schlafe, kann ich meine Skill-Shots besser treffen / besser zielen), sowie auch wie gefährdet man sich selbst sieht durch das eigene Gesundheitsverhalten. Ein dritter Faktor ist die Selbstwirksamkeit, oder wie fähig man sich fühlt, sich an ein neues Verhalten, in diesem Falle besserer Schlaf, anzupassen. Nur wenn all diese Aspekte miteinander im Gleichklang sind, kann eine Intention geformt werden, die schliesslich zu einer langfristigen Verhaltensänderung führt (Schwarzer, 2016).
Diese Intentionen müssen jedoch in detaillierte Instruktionen umgewandelt werden, wie man dieses neue Verhalten ausführen soll. Dieser Prozess nennt sich ‘planen’ und beschäftigt sich mit dem „wenn“, „wo“ und „wie“ das neue Verhalten am besten implementiert werden kann. Ein Beispiel wäre einen fixen Zeitpunkt für die Nachtruhe festzulegen, dass man sein Bett nur fürs Schlafen verwendet und nicht für andere Aktivitäten wie Hausaufgaben, und dass man kein Koffein mehr konsumieren sollte in den Stunden bevor man zu Bett geht.
Sobald sich eine Routine eingestellt hat, die einem erlaubt, gut zu schlafen, muss man dieses neue Verhalten auch beibehalten. In dieser Phase wird man Ressourcen antreffen, wie beispielsweise einen Partner, der einen ermutigt mehr zu schlafen und der mit einem im Bett bleit, aber auch Barrieren, zum Beispiel, dass man nicht einschlafen kann, oder eine Einladung für „nur noch ein ranked game“ (Schwarzer, 2016).
Neuere Theorien zu Selbstkontrolle besagen, dass es am einfachsten ist, diese Barrieren zu überwinden, indem man sie wenn immer möglich vermeidet (Duckworth, Milkman und Laibson, 2018). Zum Beispiel wird es einfacher sein, zu einer bestimmten Zeit zu Bett zu gehen, wenn man es schafft, der Verlockung einer weiteren Game-Einladung zu widerstehen. Es würde also helfen, wenn man seine Freunde wissen lässt, dass man nach einer bestimmten Uhrzeit nicht mehr spielt oder auch den Game Client zu schliessen, sobald man fertig gespielt hat. All diese Dinge sind hilfreich, um sich an den zurechtgelegten Plan zu halten.
In nur ein paar Minuten Lesezeit hast du nicht nur gelernt, dass Schlaf dich zu besseren Athleten macht, sondern auch, hoffentlich, wie du mehr und besseren Schlaf erreichen könnt in der Zukunft. Von allen gesunden Gewohnheiten ist dies wohl die einfachste und bequemste. Schnappt euch einfach ein Kissen und eine kuschlige Decke, wickel dich ein und du bist bereit.
Einige Vorteile von adäquatem Schlaf treten sofort ein, eine vollständige Erholung von unzureichendem Schlaf braucht jedoch seine Zeit (Yamazai u. a., 2020). Beginnt man mit den oben genannten Schritten und sobald man einen adäquaten Schlaf erreicht hat, muss man sich jedoch noch ein paar Wochen Zeit geben. Nach diesen paar Wochen wird Schlaf, um es mit den Worten des Neurowissenschaftler und Psychologen Dr. Matthew Walker zu sagen, zu deiner Superkraft.
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Literaturverzeichnis:
Dement, W. C., & Vaughan, C. (1999). The promise of sleep: A pioneer in sleep medicine explores the vital connection between health, happiness, and a good night’s sleep. Dell Publishing Co.
Duckworth, A. L., Milkman, K. L., & Laibson, D. (2018). Beyond Willpower: Strategies for Reducing Failures of Self-Control. Psychological Science in the Public Interest, 19(3), 102–129. https://doi.org/10.1177/1529100618821893
Lee, S., Bonnar, D., Roane, B., Gradisar, M., Dunican, I. C., Lastella, M., … Suh, S. (2021). Sleep Characteristics and Mood of Professional Esports Athletes: A Multi-National Study. International Journal of Environmental Research and Public Health, 18(2), 664. doi:10.3390/ijerph18020664
Mah, C.D., Mah K.E., Kezirian E.J. & Dement W.C. (2011). The effects of sleep extension on the athletic performance of collegiate basketball players. SLEEP, 34(7):943-950.
National Sleep Foundation. (2006). Sleep in America Polls. https://www.sleepfoundation.org/professionals/sleep-americar-polls/2006-teens-and-sleep
Nédélec, M., Halson, S., Abaidia, A. et al. (2015). Stress, Sleep and Recovery in Elite Soccer: A Critical Review of the Literature. Sports Med 45, 1387–1400. https://doi.org/10.1007/s40279-015-0358-z
Schwarzer, R. (2016). Health Action Process Approach (HAPA) as a Theoretical Framework to Understand Behavior Change. Actualidades En Psicología, 30(121), 119-130. https://doi.org/10.15517/ap.v30i121.23458
Simpson, N.S., Gibbs, E.L. & Matheson, G.O. (2017). Optimizing sleep to maximize performance: implications and recommendations for elite athletes. Scand J Med Sci Sports 27, 266–74.
Yamazaki, E. M., Antler, C. A., Lasek, C. R. & Goel, N. (2020). Residual: Differential neurobehavioral deficits linger after multiple recovery nights following chronic sleep restriction or acute total sleep deprivation, Sleep, zsaa224. https://doi.org/10.1093/sleep/zsaa224