E-Sport – Wieviel Sport und Athletik steckt tatsächlich dahinter? Was solltest Du als Pro Gamer von einem Profi Athleten übernehmen?
Vor 2 Jahren Patrick

E-Sport – Wieviel Sport und Athletik steckt tatsächlich dahinter? Was solltest Du als Pro Gamer von einem Profi Athleten übernehmen?

Wenn über E-Sport und oder Gamer gesprochen wird, denken höchstwahrscheinlich die wenigsten im engeren Sinne an Sport bzw. Athletik. Wieviel „Leistungssport“ steckt tatsächlich dahinter? Handelt es sich bei den gegenwärtigen Klischees über Gamer um Fakten oder Mythen?

Was können Gamer von traditionellen Athleten lernen? Warum sollte jeder professioneller Gamer ein kompetentes und holistisches Performance & Health Team haben? Und last but not least, was notwendig ist, damit E-Sport endlich weltweit als Sportart anerkannt wird? Diese und weitere Themen werden in diesem zweiteiligen Blog kritisch diskutiert und beleuchtet.

Nach dem ersten Teil des Blog Beitrages sollte es jetzt offensichtlich und klar sein, dass E-Sport eine Sportart ist und die Pro Gamer trainieren wie „traditionelle“ Profisportler.

Demzufolge geht es um Performance und Sport. Fähigkeiten bzw. Soft Skills wie Zielgenauigkeit, Problemlösung, Kommunikation und Teamwork sind allesamt obligatorische Fähigkeiten für Gamer, die hochrangig spielen bzw. beeindrucken wollen. Willst du ganz oben dabei sein, dann musst du viel trainieren, genauer gesagt sehr viel trainieren (vgl. 10000 Hour Rule). Es geht nur noch um Training, Training, Training bzw. Erholung, Erholung, Erholung, um der Beste/die Beste zu sein. In der Tat, E-Sport ist ein Sport unabhängig ob sitzend oder nicht.

Was bedeutet das tatsächlich?! Mit welchen Veränderungen und Entwicklungen haben wir allesamt zu rechnen?


Professionalisierung

Am augenscheinlichsten ist die Professionalisierung im E-Sport. Pro Gaming ist keine One Man Show! Nein schon lange nicht mehr! Jeder Athlet/Jede Athletin sollte Teil eines multidisziplinären Teams (vgl. mYindset, Abb.2) sein. In Amerika eröffnet die Talentmanagement-Agentur IMG ihre Akademie für E-Sport Athleten. «Wir freuen uns, compLexity in der IMG Academy willkommen zu heißen, um sowohl mental als auch physisch zu trainieren», sagt Tobias Sherman, Head of esports bei WME | IMG. «Da die Sportindustrie weiterhin die Parallelen zwischen esports und Mainstream-Athleten erkennt, war die IMG Academy eine natürliche Ergänzung, um Einrichtungen und Coaching zu bieten, die das Training von E-Sports-Franchises in Zukunft verbessern werden.»

Bild der IMG Akademie von innen. Hier wird den Athleten ermöglicht Sport zu treiben.
Abb.1 IMG Akademie (Quelle: https://www.imgacademy.com/)

Diese internationalen Entwicklungen bestätigen diesen sukzessiven Weg zur Professionalisierung vergleichbar in der NFL oder NBA. In Europa hingegen sind solche Institutionen und Entwicklungen Raritäten und wir müssen uns gegenwärtig leider immer noch mit offensichtlichen Problemen auseinandersetzen.


Gesundheit

In einer kürzlich erschienenen Studie von Rudolf et al. (2020) wurde bei vielen untersuchten Gamern offenkundiger Mangel an Schlaf, an unausgewogene Ernährung sowie an Fitness (85% erreichen die 2,5h/Woche WHO Empfehlung) bemerkbar, die im E-Sport erst seit Kurzem auf der Agenda stehen und für die Spieler zunehmend an Bedeutung gewinnen.

Sie trainieren gemeinsam und treten regelmäßig gegeneinander an, haben aber leider keine professionelle institutionelle Unterstützung hinter sich wie traditionelle Sportteams. Wenn wir an einen E-Sportler denken, denken wir in der Regel nicht an ein medizinisches GO zum „Return to Play“ bzw. einer sitzenden Tätigkeit mit geringer Verletzungsgefahr. Ganz im Gegenteil, diese Athleten leiden unter steigenden gesundheitlichen Problemen und chronischen Überlastungsverletzungen. Es ist en vogue, dass professionelle E-Sportler Verletzungen erleiden, die ihre Karriere beenden. 


Aus diesem Grund ist Langlebigkeit ein zentrales Thema. Selbst wenn ein Spieler Mitte 20 ist, geht er bereits auf das Ende seiner Karriere zu. Also müssen wir miteinander nach Möglichkeiten suchen, ihre Karriere zu verlängern, um geistig und körperlich fit zu bleiben.

Es geht um Qualität und nicht Quantität. Klischees wie „Zu viel Training – acht Stunden spielen und dann nach der Pizza noch eine Runde draufzulegen” bzw. mit Verletzungen (z.B. Sehnenscheidenentzündungen) leichtfertig umgehen, sind leider heutzutage immer noch gang und gäbe. 15 Prozent gaben an, 3 Stunden oder mehr zu sitzen und zu spielen, ohne aufzustehen, um eine Pause zu machen. 40% der Spieler gaben an, dass sie keine körperliche Aktivität ausüben. Die größte Beschwerde war die Ermüdung der Augen, Rücken- und Nackenschmerzen waren die zweitgrößte Beschwerde, gefolgt von Handgelenk- und Handschmerzen (Worlsey et al., 2018). Von diesen befragten Sportlern, die an Beschwerden litten, suchten nur 2% einen Arzt auf. Es geht um Langlebigkeit und folglich um „Awareness“! Aufwachen – Augen auf!


Verletzungen und Überlastungen

Erfolgreiches Spielen bedarf eines funktionsfähigen feinmotorischen Bewegungsapparates. Wer das nicht berücksichtigt, bekommt Probleme.

Um langfristig gesund genug und erfolgreich zu bleiben, um mit diesem Druck und dem intensiven Training umzugehen, müssen Esports-Profis mit Personal Trainer/Sportphysiotherapeuten zusammenarbeiten. Um fit genug für den Wettbewerb zu bleiben, sollten Teams eine konsequente Fitness-Routine praktizieren. Es geht um die Optimierung der körperlichen und mentalen Performance! Körper und Geist bilden eine Einheit.

Wie ich bereits kurz angedeutet habe, sind Verletzungen bei E-Sportlern auf dem Vormarsch. Eine Studie im British Journal of Medicine stellte fest, dass Spieler genauso häufig muskuloskelettale Überlastungsverletzungen haben wie herkömmliche Sportler, aber es gibt derzeit kein spezifisches Gesundheitsmanagement Modell, um diese Sportler adäquat behandeln zu können (DiFrancisco Donoghue et al., 2019). 

Fakt ist – E-Sport muss sich auf kurze oder lange Sicht seinem Verletzungsproblem stellen!

Die vorherrschenden Sportverletzungen sind wenig überraschend Handgelenksprobleme, insbesondere das Karpaltunnelsyndrom (Kompression des Nervus Medianus). Die Handgelenksverletzungen sind zu einem leistungslähmenden, wenn nicht sogar Karriere bedrohenden Problem für Pro-Gamer wie Ladislav «GuardiaN» Kovács und Olof «olofmeister» Kajbjer geworden – die beim Major aufgrund ihrer Handgelenksprobleme substanzielle unterdurchschnittliche Leistungen zeigten (Brautigam 2016). 

Verletzungen im E-Sport werden in naher Zukunft zu einer wirtschaftlichen Belastung werden. Die medizinische Behandlung ist kostspielig und Gesundheitsleistungen in Spielerverträgen sind nicht üblich. Außerdem gibt es keine Vereinigung, die sich mit diesem Aspekt des Spielerschutzes befasst, und Teams mit engagierten medizinischem Personal bleiben ein vergeblicher Wunsch.

Der plötzliche Rücktritt von Cloud9’s Hai sorgte für viele Schlagzeilen «Meine Handgelenksverletzung ist etwas, das ich einfach nicht ignorieren kann», sagte er in einem Statement an seine Fans. (“My wrist injury is something that I simply cannot ignore, it limits my ability to play as much as I need to and my ability to improve. I cannot keep up with the amount of Solo Queue games my teammates play and it’s not fair to them”)


Fazit

E-Sportler die auf semi- bzw. professionellem Niveau spielen (wollen), müssen ihre Arbeit ernst nehmen! Es geht um Professionalität. Es geht um Langlebigkeit und maximale Performance. Körper und Geist bilden eine Einheit. Pro Gamer müssen Teil eines multidisziplinären Teams sein (Abb.2). 10h am Tag LoL zu spielen reicht schon lange nicht mehr!

Für die meisten Spieler hilft der Sport bzw. das körperliche Training, den Körper für den Esport zu trainieren, auch wenn es nicht so aussieht, als ob die Spieler die Muskeln brauchen. Taylor (Team Envy, TNW) sagte: «Wenn man sich um seinen Körper kümmert – sei es das Essen, das man isst, die Menge an Schlaf, die man bekommt, die Aktivitäten, mit denen man seine Zeit außerhalb des Trainings verbringt – all diese Dinge tragen dazu bei, die beste Version von sich selbst als Spieler zu sein“

Ja definitiv, Bewegung ist sprichwörtlich ein Wundermittel:

  • Verbesserte Ausdauer, eine erhöhte Fähigkeit, mit Stress umzugehen
  • Bewegung verbessert die kognitiven Funktionen (vgl. exekutive Funktionen – Kontrolle und Selbstregulierung)
  • Bewegung verbessert auch nachweislich die motorischen Funktionen, wie Reaktionszeit und Hand-Augen-Koordination
  • Verringerung von Stress, Angst und Depression

Diese Vorteile ermöglichen es den Spielern auf einem höheren Niveau zu spielen, was sie zu einem stärkeren Gamer macht – vor allem langfristig!

Nein, du brauchst weder ein Gym noch einen perfekten Non Plus Ultra Trainingsplan – Es sind nicht die spezifischen Übung, die zählen, sondern die konsequente Routine und Umsetzung. Übungen, die gegen deine alltägliche Haltung wirken wie z.B. «Ruderübungen, Klimmzüge, Kniebeugen, Rückenstrecker, reichen allesamt aus! 

Am wichtigsten ist es, einfach aktiv im Alltag zu bleiben, mit einer Balance von allgemeinen körperlichen Fitnessaktivitäten: Gewichtheben, Cardio, Koordination etc., um in guter körperlicher Verfassung zu sein.

E-Sportler – aufgepasst! Bewegung – Schlaf – Ernährung – Mindset helfen euch um eure Leistung zu verbessern. Motivation, Vertrauen und Compliance sind die Eckpfeiler einer erfolgreichen und nachhaltigen Entwicklung/Leistung.

Abb. 2. E Sports Health & Performance Management am Beispiel von mYindset

Literatur:

Brautigam T, 2016. Esports needs to face its injury problem. Available from: https://esportsobserver.com/esports-needs-face-injury-problem/ [Accessed 18 Sep 2018].

Rudolf K, Bickmann P, Froböse I, Tholl C, Wechsler K, Grieben C. Demographics and Health Behavior of Video Game and eSports Players in Germany: The eSports Study 2019. International Journal of Environmental Research and Public Health. 2020; 17(6):1870. https://doi.org/10.3390/ijerph17061870

Worsley PR, Rebolledo D, Webb S, et al. Monitoring the biomechanical and physiological effects of postural changes during leisure chair sitting. J Tissue Viability 2018;27:16–22.)

DiFrancisco-Donoghue J, Balentine J, Schmidt G, et al. Managing the health of the eSport athlete: an integrated health management model. BMJ Open Sport & Exercise Medicine 2019;5:e000467. doi: 10.1136/bmjsem-2018-000467

https://www.esportwissen.de/philosophie/ueber-uns/